Region Hannover/ Sehnde. Kooperative Gesamtschulen wie in Sehnde sollen aus dem Bestandsschutz herausgenommen werden und Regelschulcharakter in Niedersachsen erhalten. Dafür setzt sich der Arbeitskreis Kultus der niedersächsischen SPD-Landtagsfraktion ein, der die KGS Sehnde jetzt besucht hat. Die politische Botschaft an die Schulleitung war eindeutig: "Das Modell der KGS hat sich in Sehnde bewährt", betonten Stefan Politze, der schulpolitische Sprecher der Fraktion, und die Sehnder SPD-Landtagsabgeordnete Dr. Silke Lesemann, die den Arbeitskreis in ihren Wahlkreis eingeladen hatte. Eine Herausnahme aus dem Bestandsschutz würde eine Aufwertung bedeuten, was einer Aufstockung der Mittel für bestimmte Aufgaben gleichkomme.

Im Gespräch mit den SPD-Abgeordneten machte das Leitungsteam der Schule seinem Unmut Luft. "Wir halten nicht mehr lange durch", sagte Lars Witte, Leiter des Realschulzweigs. Die Personaldecke sei dünn und auch für die Leitungsaufgaben mangele es an verfügbaren Stunden. "Durch den Bestandsschutzcharakter sind wir personell schlechter aufgestellt als andere Schulformen", so Witte. Im Vergleich mit den Gymnasien sei man chronisch unterbesetzt, was sich im Kollegium bemerkbar mache. "Ich habe einen jungen Kollegen, der fit ist und Marathon läuft, aber die Stunden reduziert hat, weil er am Ende seiner Kräfte ist." Viele Kolleginnen und Kollegen hätten wegen der ständigen hohen Belastung die Stunden reduziert. "Sie machen das nicht, um mehr Freizeit zu haben, sondern um ihrem Job besser gerecht zu werden", berichtete Christiane Petersen, die stellvertretende Schulleiterin. "Wir haben mit mehr als 86.000 eine Rekordzahl an Lehrerinnen und Lehrer in Niedersachsen. Trotzdem liegt die Unterrichtsversorgung nur bei 85 Prozent, was genau daran liegt - an der Entwicklung, dass von der Teilzeit immer mehr Gebrauch gemacht wird", so Politze. Den hohen Unterrichtsausfall bestätigte auch Petersen: "Und fehlen allein fünf Vollzeitstellen für Vertretungen."

Erschwerend komme hinzu, dass die Schule keine Haupt- und Realschullehrer einstellen dürfe, sondern nur Gymnasiallehrer. Dabei seien Haupt- und Realschullehrer in der Regel pädagogisch besser auf ihre Aufgaben an der KGS vorbereitet. Folge: Die Schule könne Stellen nicht besetzen. Außerdem sei die Hürde für Quereinsteiger zu hoch. "Uns werden ständig Bewerberinnen und Bewerber abgelehnt, die wir gern nehmen würden", so Petersen. Zuständig für die Genehmigungen sind die Regionalen Landesämter für Schule und Bildung.

"Wir nehmen das sehr ernst und würden es gern ändern", betonte Politze. Es könne nicht sein, dass dringend benötigte Quereinsteiger*innen abgelehnt werden. Die Gründe dafür seien auch nicht nachvollziehbar oder für den Schulalltag nicht relevant, erläuterte Petersen. "Manches Mal lag es nur daran, dass ein Bewerber neun statt zehn Semester studiert hat was vielleicht eine formale Hürde ist, wodurch er aber kein schlechterer Lehrer sein muss."

Die KGS ist mit Abstand die größte Schule in Sehnde und sie wird weiter wachsen: Im kommenden Jahr sollen hier mehr als 1100 Kinder und Jugendliche unterrichtet werden. Auch die Arbeit mit den Schüler*innen werde immer schwieriger. Immer öfter blieben manche von ihnen der Schule fern. "Vor Corona hatten wir 30 mit mehr als drei unentschuldigten Fehltagen im ersten Halbjahr, jetzt sind es 80", berichtete Witte. Außerdem beobachte er eine Verrohung, Beleidigungen und Körperverletzungen nehmen zu. "Das ist eine beunruhigende Entwicklung. Manche Kinder sind am Rande der Beschulbarkeit", so der Leiter.

Trotz der negativen Punkte sei man mit der Schule als solches sehr zufrieden. "Wir stehen 100-prozentig hinter dem Konzept der KGS", so Petersen. Die Durchlässigkeit zwischen den Schulformen sei ein großer Vorteil und stünde dem Konzept einer IGS in nichts nach. Und die Schüler*innen hätten viel mehr Wahlmöglichkeiten als auf einem Gymnasium. Und auch das K-Konzept - die intensive kooperative Berufsvorbereitung des Haupt- und Realschulzweigs klappe hervorragend. "Alle Seiten der Kommunalpolitik stehen hinter der KGS", betonte Lesemann, die auch Mitglied im Sehnder Stadtrat ist.

Dass auch die Schüler*innen zufrieden sind, zeigte sich bei den Unterrichtsbesuchen. Die Landtagsabgeordneten nahmen unter anderem am Spanisch- und Wirtschaftsunterricht teil und kamen dabei mit den Schüler*innen ins Gespräch. Sie gingen hier gern zur Schule, bekräftigten die Schüler*innen gegenüber den Politiker*innen - lediglich der Schultag sei zu lang.